«Wir sollten eine Kultur der Transparenz pflegen»

Dieses Interview erschien im «Zürcher Oberländer«.

Im digitalen Zeitalter kann es sich kaum noch ein Unternehmen leisten, auf eine eigenen Website zu verzichten. Wer neue Kunden gewinnen will, muss sichtbar sein – auch und gerade im Internet. Mit seiner in Rapperswil domizilierten Webstrategie-Agentur verhilft Sam Steiner kleinen und mittleren Unternehmen zu einem schlagkräftigen und wirkungsvollen Auftritt im Web.

Bevor er sich 2011 damit selbstständig machte, war der gelernte Web- und Softwareentwickler zehn Jahre lang für verschiedene Agenturen tätig. Der 40-Jährige weiss, was zu einer guten Webstrategie gehört – und was man besser vermeiden sollte.

«Das Web ist wie ein zusätzliches Teammitglied»

Hand aufs Herz, Herr Steiner: Lohnt der Aufwand, den kleine und mittlere Unternehmen in ihren Webauftritt stecken, oder wird nicht vielmehr unnötig Geld verschleudert?

Sam Steiner: Bei vielen Websites von KMU denke ich mir tatsächlich auch: Den Aufwand hätte man sich sparen können. Aber je kleiner ein Unternehmen, umso markanter die Effekte, die man erzielt, wenn man das Web wie ein zusätzliches Teammitglied oder sogar wie ein zusätzliches Team für sich arbeiten lässt. Das setzt jedoch einen Plan, eine Strategie, voraus.

Sie sehen Handlungsbedarf?

Absolut. Eine Website mit sauberer Webstrategie bringt jeden Monat neue Kunden. Wer dieses Potenzial nicht verschenken will, sollte seinen Webauftritt optimieren.

Inwieweit sind sich KMU dieses Potenzials bewusst?

Natürlich wachen einzelne Firmen langsam auf. Viele haben aber zu wenig Zeit oder Knowhow und bleiben so hinter den Möglichkeiten des Web zurück.

10 Schritte für mehr Sichtbarkeit auf Google

Wie ist der Status quo?

Vereinzelt gibt es chaotische Websites, bei denen unzählige Links die Navigation erschweren. Problematischer sind jedoch schöne Websites mit sauberer Navigation – aber ohne Wirkung. Wer keine Mechanismen zur Lead-Gewinnung einbaut und auf die Kraft von Marketing- Automation im Hintergrund verzichtet, hat am Ende nur eine hübsche, teure Broschüre.

Was heisst Lead-Gewinnung?

Dabei geht es darum, die Besucher einer Website zu Kontakten, sogenannten «Leads» zu machen. Das funktioniert am besten mit Mehrwert-Angeboten, auf die man erst dann zugreifen kann, wenn man sich mit seiner E-Mail-Adresse registriert hat. Einen Mehrwert bieten etwa Ratgeber-Dokumente oder Webinare. So kommt man aktiv und gezielt zu neuen Adressen.

Bild: Nick Soland

«Verkaufsprozesse sollte man online unterstützen»

Mit welchem Anliegen wenden sich Firmen an Sie?

Häufig werde ich gefragt, wie man die Sichtbarkeit bei Google erhöhen kann. Ich frage dann zurück: «Was würden Sie an Ihrer Website ändern, wenn Sie wüssten, dass am nächsten Donnerstag einmalig eine Million Besucher aus Ihrer Zielgruppe darauf klicken?» Sinnvollerweise würde man alles daran setzen, die Besucher aktiv einzubinden und zu Kontakten zu machen. Mit einer passiven Broschüre-Website verspielt man diese Chance.

Es geht also nicht nur darum, die Zahl der Seitenabrufe zu erhöhen?

Richtig. Vielen Unternehmen ist nicht bewusst, dass jeder Verkauf ein Prozess ist, den man online unterstützen sollte. Nur so kommt Kraft hinein.

Braucht man dafür nicht eine komplette Webstrategie?

Man sollte tatsächlich über die Firmen-Website hinausdenken. Diese wird vergleichsweise wenig wahrgenommen, wenn man die Nutzung sozialer Medien als Hauptaktivität im Internet dagegenhält. Aber man darf die Website auch nicht unterbewerten. Manche Firmen kippen ins andere Extrem und orientieren sich nur noch an Twitter oder Facebook. Aussichtsreicher ist eine Strategie, die die Firmen- Website und die sozialen Medien sauber miteinander verbindet.

«Videos schaffen Aufmerksamkeit»

Sie sagten, der Verkauf sei ein Prozess, der online begleitet werden sollte. Welche Phasen hat denn dieser Prozess?

In der ersten Phase geht es darum, auf sich aufmerksam zu machen. Anvisiert werden dabei auch Leute, die noch keine Kaufabsicht haben, aber sich für eine Dienstleistung oder ein bestimmtes Thema aus dem Firmenumfeld interessieren. Hier sind soziale Medien wichtig. In dieser Phase wirkt der Einsatz von Videos sehr stark.

Was passiert dann?

Die zweite Phase ist eine Phase des Nachdenkens und Evaluierens. Die Leute sind an dem Punkt: «Ich bräuchte vielleicht eine neue Brille.» Jetzt beginnen sie damit, Angebote im Netz zu suchen und zu vergleichen. Als Optiker punktet man in dieser Phase mit guten und relevanten Inhalten, die leicht über Google zu finden sind.

Bild: Nick Soland


Wie erreicht man das?

Indem man zum Beispiel einen Blog auf der Website einrichtet, der regelmässig mit Inhalten rund um die Themen Augen und Sehkraft gefüllt wird. In einem nächsten Schritt könnte man dann einen Ratgeber als Lead-Magnet einsetzen.

Damit ist aber noch keine Brille verkauft.

Das stimmt, aber nun kann der Optiker nachfassen. Dazu nutzt er am besten ein Programm zum automatisierten Versand von E-Mails. Deren Inhalte sollten wertvoll sein und gut auf die Interessen des registrierten Nutzers abgestimmt. Die Frequenz der Nachrichten lässt sich nicht pauschal festlegen. Entscheidend ist, dass die Firma als kompetent und vertrauenswürdig wahrgenommen wird.

«Wertvolle Inhalte verstärken Google-Sichtbarkeit»

Womit endet der Prozess?

Mit der Handlungsphase. Um beim Beispiel zu bleiben: Die Leute wollen eine Brille kaufen und suchen nun die Adresse eines bestimmten Optikers. Für diese Phase muss die Firmen-Website entsprechend angepasst sein. Unternehmen sollten sich fragen: «Wie können wir den Bestellprozess für jemanden, der unsere Lösung kaufen will, besonders einfach und attraktiv gestalten?» Das ist von Firma zu Firma sehr verschieden und hängt auch davon ab, ob die Bestellung online oder offline stattfindet.

10 Schritte für mehr Sichtbarkeit auf Google

Was halten Sie von Anzeigen bei Google?

In den ersten beiden Phasen kann Google AdWords das Online- Marketing unterstützen. Für einen nachhaltigen Effekt sollte man aber auf regelmässige wertvolle Inhalte oder Fachartikel setzen. Dadurch wird die Website häufiger von anderen Seiten verlinkt. Das wiederum ist für Google ein Anzeichen für wertvolle Infos – und die Website rückt bei den Google-Suchresultaten langsam nach oben.

«Nicht zu spät um Online-Marketing kümmern!»

Müssen KMU stärker in Online- Marketing investieren?

Langfristig gesehen auf jeden Fall. Momentan haben viele Unternehmen noch zu viele Kunden. Sie stehen nicht unter Druck, sich um neue zu kümmern. Eine Sanitärfirma in Wetzikon begnügt sich vielleicht damit, wenn sie als zweiter oder dritter Treffer bei Google erscheint. Das Interesse, die eigene Webpräsenz, die «Magnetivität» im Web zu erhöhen, ist kaum vorhanden. Sanitär- und Elektrofirmen sind sicher weniger auf Online-Marketing angewiesen. Heute nicht, aber langfristig besteht die Gefahr, dass man den Anschluss verliert. Magnetivität aufzubauen, braucht Zeit. Wenn man sich zu spät darum kümmert, kann das einem das Genick brechen.

Welche Unternehmen sind als erste in der Pflicht?

Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen profitieren extrem von einer guten Webstrategie. Sie können mit nützlichen Mehrwertinfos auf sich aufmerksam machen, ohne Gefahr zu laufen, sich selber das Wasser abzugraben. Am Schluss werden die Kunden trotzdem sagen: «Eigentlich brauchen wir eine Fachperson, die diese Lösung umsetzt.»

«Auf eine Website gehören Menschen»

Gibt es eine Faustregel für eine gute Firmenwebsite?

Unbedingt mehr Gesicht zeigen. Zu den am meisten angeschauten Seiten auf einer Website gehört die «Über-uns»-Seite. Man hofft, dort Menschen zu sehen. Wir fragen uns: Wen hatte ich vorhin am Telefon? Wer kommt nachher bei mir vorbei? Zudem müssen wir in der heutigen Zeit lernen, visuell zu arbeiten, also Foto, Grafik und Video einzusetzen. Die Website darf nicht textüberladen sein.

Bild: Nick Soland


Wie geht eine Firma am besten mit öffentlicher Kritik im Netz um?

Das ist eine Kulturfrage. Aus meiner Sicht sollten wir im Internet eine Kultur der Transparenz pflegen, auch und gerade im Umgang mit öffentlicher Kritik. Viele Unternehmen schrecken davor zurück. Aber Kritik kann durchaus eine Chance sein. Firmen können im Web demonstrieren, wie souverän sie mit Fehlern umgehen: Dass sie eben keine Kommentare und Bewertungen löschen, sondern sich entschuldigen und eine saubere Lösung des Problems anbieten. Das schafft Vertrauen und steigert die Glaubwürdigkeit. Aber eine solche Haltung muss von innen heraus entwickelt werden, das kann man nicht von aussen fordern.

«Schlechte Pizzas werden durch Social Media noch viel schlechter»

Das erfordert demnach konstantes Qualitätsmanagement, oder?

Ja, aber schlussendlich haben die sozialen Medien nur eine verstärkende Funktion. Wenn eine Pizzeria schlechte Pizzas verkauft, dann werden sie durch Twitter, Facebook oder Instagram noch viel schlechter, weil eben viel mehr Leute davon erfahren. Wer eine positive Wirkung erzielen will, sollte von vornherein für ein gutes Angebot sorgen.

Eine prognostische Frage: Wie wird das Online- Marketing bei KMU in zehn Jahren sein?

Sehr viele KMU werden ihr Geschäft genauso führen wie bisher. Sie werden weiter ihre Broschüre-Website haben und kaum etwas ändern. Viele von denen werden in Schwierigkeiten geraten. Aber daneben gibt es die anderen, die durchstarten, weil sie begriffen haben, dass durch Online-Marketing mehr möglich ist. Sie werden zunehmend auf Automatisierung im Kundenverkehr setzen und stärker visuell kommunizieren. Nicht nur mit Video und Grafik, sondern auch mit interaktiven Livestreams.

Worin besteht der Reiz von Livestreaming?

In der Zukunft werden Hochglanz- Auftritte nur noch eine geringe Rolle spielen. Livestreaming ist ungeschnitten, die Menschen reden nicht perfekt, dafür sind sie echt, nahbar und glaubwürdig. Unternehmer werden diese neuen Webmöglichkeiten nutzen, um viel näher bei ihrer Zielgruppe zu sein.

Interview: Jörg Marquardt

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